Wiedervereinigung nach 57 Jahren

Am 9. November 1989 fällt die Mauer in Berlin. Am 3. Oktober 1990 ist Deutschland wiedervereinigt. Die innenpolitisch dramatisch umkämpfte Entspannungs- und Ostpolitik von Willy Brandt, Egon Bahr, Helmut Schmidt und Herbert Wehner, der politische Reformwille eines Michail Gorbatschow legen den Grundstein für die neue deutsche Geschichte nach 1945 und 1989.

Durch West-/Ostpartnerschaften organisiert beginnt auch die AWO in den fünf neuen Bundesländern mit einem dynamischen Aufbauprozess. Ein Jahr nach dem Fall der Mauer schließen sich die Landes- und Bezirksverbände der AWO in ganz Deutschland auf einem Bundestreffen in Berlin am 10. November 1990 zusammen.

Nach dem Verbot der Arbeiterwohlfahrt 1933 und der gewaltsamen Teilung Deutschlands nach 1945 erklären die Landes- und Bezirksverbände in den neuen Bundesländern ihre Mitgliedschaft beim Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt. Damit findet zusammen, was vor 57 Jahren gewaltsam getrennt wurde.

Die AWO ist heute flächendeckend in allen Bundesländern tätig.

Erfahrung für die Zukunft

Mit den rasanten Veränderungen in der Berufs- und Arbeitswelt und der fortschrittlichen Technologie im letzten Jahrhundert änderten sich auch die Aufgaben der AWO.

Eine zeitgemäße und zukunftsweisende Sozialarbeit hat diesen Prozessen Rechnung zu tragen.

Der soziale Rechtsstaat, wie ihn die AWO in ihren Anfängen und ihrem Werden angestrebt hat, ist in seinen grundlegenden Elementen Wirklichkeit geworden. Die AWO lässt nicht nach in ihren Forderungen nach Reformen und Veränderungen in der Sozialpolitik, in der Gesundheitspolitik, in der Familienpolitik und in der allgemeinen Fürsorge um den Menschen und seine soziale Sicherung. Stets hat sie ihre Forderungen den Parlamenten und Regierungen zugetragen. Daraus sind Gesetze entstanden, die Rechtsansprüche auf soziale Hilfen garantieren. Als ein Beispiel unter vielen gilt dafür die sozialrechtliche Sicherung des Pflegefallrisikos.

Die AWO hat neue soziale Aufgaben übernommen, die im Wandel der Gesellschaft ihren Ursprung haben. Dazu gehören die Betreuung der zahlreichen ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seit Beginn der 60-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, die stationäre und ambulante Altenhilfe, die Suchtberatung und sozialpychologische Betreuung.

Grundsatz der sozialen Arbeit der AWO ist auch weiterhin die Hilfe zur Selbsthilfe. In zunehmendem Maße hat die AWO als freier Verband - gewollt und nicht gewollt - öffentliche Aufgaben übernommen, deren Finanzierung nicht in vollem Umfang durch öffentliche Zuwendungen gedeckt ist.

Die Krise der Weltwirtschaft in den 80er Jahren des letzten Millenniums und die ökonomische und technologische Globalisierung des neuen wirft ihre Schatten auf die Zukunft des Sozialstaats. Viele Menschen sind ohne Arbeitsplatz. Die großen sozialen Sicherungssysteme stoßen an ihre Grenzen., bedürfen der Reform und nicht des rigiden Abbaus. Die soziale Bewährungsprobe stellt sich dort, wo die AWO mit ihren Diensten und Einrichtungen direkten Kontakt mit den Menschen hat.

Heute ist die AWO in weit größerem Maße als früher Trägerin sozialer Aufgaben und Dienstleistungen. In allen Bereichen legt sie Wert darauf, soziale Aufgaben der Gegenwart mit dem Blick auf die Zukunft zu lösen - mit der Erfahrung für die Zukunft!